Kultur sollte kein Luxus sein
Der Schauplatz e. V. hat sich 2020 in Lauchringen gegründet und veranstaltet seitdem Kulturveranstaltungen für jedermann. Bis heute ist der Verein auf über 50 Mitglieder angewachsen und hat im September und Oktober mehrere Veranstaltungen im Programm. Stattsofa sprach mit den Verantwortlichen Benny Wenger und Thomas Adam.
Stattsofa: Herr Wenger, Herr Adam, Sie haben mitten in der Pandemie einen Kulturverein gegründet. Wie sind Sie zu diesem Zeitpunkt, als Veranstaltungen eher abgesagt wurden, auf diese Idee gekommen?
Benny Wenger und Thomas Adam: Wir sind beide aus familiären Gründen hierhergezogen, kennen uns aber schon lange von der Arbeit am Theater. Daher kennen wir das „Gewerbe“ und haben entsprechende Kontakte. So ist die Idee zu Schauplatz entstanden. Es sind viele weitere Mitglieder und später auch Max [Bartosch, Anm. d. Red.] als Vorstand hinzugekommen. Der Lockdown bot uns dann die Zeit, alles in die Wege zu leiten und auch den rechtlichen und schriftlichen Teil in Ruhe zu erledigen. Das Bedürfnis der Menschen nach Kultur ist gerade in schwierigen Zeiten besonders groß. Kontaktverbote, Sperrstunden und die Angst davor, was die Zukunft bringt, hat viele Menschen stark verunsichert. Für Kulturschaffende wurde es ganz besonders schwierig und viele mussten komplett aufgeben, da doch Kultur als „nicht systemrelevant“ eingestuft wurde. Wir kennen einige Menschen persönlich, die ihren Beruf im Kulturwesen komplett aufgeben mussten und die jetzt fehlen. Als Verein war es uns ein großes Anliegen, Künstlern eine Bühne zu bieten und letztendlich dazu beizutragen, dass sie sich ihren Lebensunterhalt weiterhin verdienen können.
Stattsofa: Sie haben den Verein gegründet, um Kultur für jedermann zugänglich zu machen. Wie gelingt es Ihnen bisher, dieses Ziel umzusetzen und was sind die Schwierigkeiten dabei?
Benny Wenger und Thomas Adam: Das Angebot an anspruchsvoller Kunst und Kultur hat es im ländlichen Raum schwerer als in den großen Städten. Das liegt zum einen daran, dass man ein Angebot gar nicht gewohnt ist und zum anderen natürlich daran, wie es kommuniziert wird. Wir versuchen durch ein breites Spektrum unterschiedlicher Angebote Menschen zu ermuntern, an Veranstaltungen zu kommen, die für sie vielleicht vorher nicht im Fokus standen. Unter anderem bieten wir immer wieder Veranstaltungen speziell für Kinder und Familien an, wie zum Beispiel das Wandertheater „Pas de Deux“ oder das Kindermusical ,,Die Schöpfung“ mit dem Kinderchor „Soleil“. Hier haben wir auch schon viele Schülervorstellungen realisieren können. So werden Kinder und Familien begeistert und die Neugier auf das weitere Programmangebot von SCHAUPLATZ geweckt.
Stattsofa: Ein weiteres Anliegen von Ihnen ist, dass Sie faire Künstlergagen und geringe Eintrittspreise kombinieren möchten. Wie gelingt Ihnen dieser Spagat?
Benny Wenger und Thomas Adam: „Spagat" ist da sicher der richtige Begriff. Wobei ich die Bezeichnung „geringe Eintrittspreise“ als falsch empfinde. Ich würde sie auch eher als fair betiteln. Wir versuchen die Preise so zu gestalten, dass sich alle Menschen einen Besuch bei uns leisten können. So machen wir viele Veranstaltungen mit Hutsammlung, so dass Menschen mit höherem Einkommen diejenigen unterstützen, die gerade weniger ausgeben können. Das funktioniert bisher sehr gut. Natürlich geht das alles nur durch das ehrenamtliche Engagement unserer Mitglieder, die Unterstützung durch unsere treuen Sponsoren und natürlich durch die Gemeinde Lauchringen, die voll hinter uns steht. Förderungen sind hier eher schwierig zu bekommen, da sie in den meisten Haushalten überhaupt nicht vorgesehen sind.
Stattsofa: Sie haben jetzt ein buntes Herbstprogramm mit Konzerten, Lesungen und Theater. Sie werben auch auf Ihrer Webseite um neue Kulturschaffende. Welche Veranstaltung würden Sie sich in Zukunft noch im Programm wünschen?
Benny Wenger und Thomas Adam: An Ideen mangelt es uns nicht. Gerne würden wir noch mehr Theater, Comedy, Musik aller Art, aber auch Ausstellungen und noch mehr bei uns umsetzen. Dazu fehlen uns aber vor allem noch weitere Mitglieder, die uns tatkräftig unterstützen und sich auch der Verantwortung stellen wollen, Veranstaltungen zu organisieren.
Stattsofa: Ihre Veranstaltungen sollen überall stattfinden können. Was war bisher Ihr ungewöhnlichster Schauplatz?
Benny Wenger und Thomas Adam: Der ursprüngliche Gedanke hinter Schauplatz war, dass sich überall ein Schauplatz finden lässt und Kunst und Kultur an verschiedensten Plätzen möglich ist. Ein Konzert in einer Schreinerei, ein Theaterstück im Parkhaus oder eine Lesung im Wartezimmer..., die Ideen sind und waren vielfältig. Wir haben schon Veranstaltungen in privaten Gärten, Mehrzweckhallen oder eben im Zirkuszelt gehabt. In der Vorbereitung sind unterschiedliche Schauplätze natürlich sehr aufwändig. Zeitlich gesehen, hat sich dann die Gründung des Vereins und der Kauf des Lauffenmühle-Areals durch die Gemeinde perfekt ergeben. Dadurch, dass wir die Schlosserei jetzt als Kulturzentrum nutzen können, hat sich unser Konzept eher dahin entwickelt, dass wir Veranstaltungen auch dort machen wollen. Wir haben die Schlosserei mit sehr viel Aufwand in eine wunderbare Kulturstätte verwandelt. Durch die sich stetig verbessernde Infrastruktur können wir unsere Ressourcen schonen und dadurch mehr Veranstaltungen anbieten.
Stattsofa: Jetzt gibt es Ihren Verein seit über vier Jahren und Sie haben schon einige Veranstaltungen durchgeführt. Wie sieht Ihre Vision für den Schauplatz e. V. für die nächsten vier Jahre aus?
Benny Wenger und Thomas Adam: Mit Stolz können wir auf etwa 35 erfolgreiche Veranstaltungen in den letzten Jahren zurückblicken. Wir wollen auf dem Lauffenmühle-Areal einen lebendigen Kulturort etablieren, der im ganzen Landkreis und darüber hinaus bekannt ist. Wir wollen viele Menschen motivieren, sich an diesem lebendigen Prozess zu beteiligen und wir möchten gemeinsam Konzepte entwickeln, um Kunst und Kultur den Menschen näher zu bringen. Wir möchten hier ein Zitat von Richard von Weizsäcker anbringen, das unserer Meinung nach sehr treffend ist:
„Kultur kostet Geld. Sie kostet vor allem deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. (…) Substantiell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushaltes zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich ‚Subventionen’ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in eine falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“
Fragen: Wolfgang Wiese. Fotos: Schauplatz Lauchringen.