„Mehr als nur ein Schauspiel…“
Die Gruppe ,,Junges Theater“ startet im kommenden Juni wieder in eine neue Saison. Das ,,Junge Theater“ ist eine Abteilung der Festspielgemeinde Bad Säckingen. Der Theaterpädagoge Dr. Stefan Meier gibt einen Rückblick auf die letzten Jahre und zeigt auf, was Neugierige bei den Theaterproben erwartet.
Stattsofa: Welche Motivation hatten Sie eine Ausbildung zum Theaterpädagogen zu absolvieren? Wie kam es dazu das ,,Junge Theater“ zu gründen?
Stefan Meier: Nach vielen Jahren in normalen Bürojob habe ich im Jahr 2011 gemerkt, dass ich etwas Kreatives machen will. Ich hatte schon immer einen guten Draht zu Jugendlichen gehabt. Theater hat mich interessiert, Kunst und Kultur im Allgemeinen sowieso. Dann bin ich auf die Suche gegangen bis ich auf das Institut für Theaterpädagogik ,,Spielraum“ in Freiburg gestoßen bin. Zusammen mit Corina Gerspach haben wir die Vollausbildung angefangen. Nach vielen, vielen Stunden war es dann soweit, dass wir auch ein erstes Abschlussprojekt machen mussten.
Das war 2015, als die Flüchtlingswelle anfing. Ich habe mir überlegt was Integratives mit Geflüchteten und Deutschen Jugendlichen zu machen. Dann habe ich die Festspielgemeinde angeschrieben, wo ich gleich auf Hilde Butz und Detlef Bengs gestoßen bin, und gefragt habe ob die Interesse hätten eine Jugendabteilung zu gründen. Anschließend haben wir das erste Stück selber geschrieben ,,von Heimat zu Heimat“ und haben es in der Festspielgemeinde aufgeführt. Es war ein großer Erfolg und es hat uns motiviert weiter zu machen. Nach drei Produktionen ist Corina Gerspach 2019 ausgestiegen und bin seitdem allein. Ich habe dann die Ausbildung bis zum Schluss durchgezogen, die ich 2019 erfolgreich beendet habe.
Stattsofa: Welche Herausforderungen hat Ihre Gruppe seit der Gründung gemeistert? Wie hat sich die Gruppe seitdem verändert? Spielte auch die Corona Pandemie eine Rolle?
Stefan Meier: Vor Corona war anfangs die große Herausforderung die Integration von Geflüchteten und Deutschen Jugendlichen. Wir hatten das Stück so aufgebaut, dass wenig Text war und viel mehr mit Körpersprache und Kommunikation gearbeitet. Das hat aber sehr gut geklappt. Dann haben alle Schauspieler, die mindestens zwei bis fünf Stücke immer dabei waren eine wahnsinnige Entwicklung gesehen, immer mehr ihre Hemmungen abgelegt, sind mutiger geworden und immer mehr ins Publikum gegangen. Dann kam die Integration von den Musikstücken mit eigenen Songtexte, die wir gemeinsam entwickelt haben. Wir hatten unter anderem den Dreh und den tollen Auftritt bei den Bad Säckinger Stadtgeschichten, wo wir mit einem Flashmob als Kurzform des Stück ,,Monster“ rezitiert haben. Es war sehr eindrücklich auch vor sehr großen Publikum gespielt zu haben.
Corona hat natürlich einen Schnitt gemacht – ganz klar. Wir konnten fast 2 Jahre nichts machen. Vor allem nach Corona kam ein Knick rein, dass viele weggesprungen sind oder einfach die Motivation verloren haben. Das war auch nicht so ganz einfach. Ein paar wenige haben gesagt: ,,Doch, ich mach weiter“ und haben es bis zum letzten Stück durchgezogen. Was auch toll war, die Integration und Kombination mit zwei erwachsenen Schauspielern bei ,,Fucking Amal“, wo wir das erste Mal eine Vater- und Mutterrolle integriert haben hat sehr gut funktioniert.
Stattsofa: Ab Juni fangen Sie wieder an, das ,,Junges Theater“ zu leiten. Was sind Ihre Pläne für die kommende Theatersaison?
Stefan Meier: Erstmal das Wichtigste ist zu gucken, wie viel kommen und wie wir die Leute soweit abholen können, dass sie in den ersten Stunden dabeibleiben. Da die Leute zum ersten Mal zusammenkommen, ist es wieder erstmal ein komplett neuer Findungsprozess. Die Meisten kennen sich überhaupt nicht und müssen erstmal zusammenwachsen. Die große Herausforderung wird sein, dass Vertrauen aufzubauen, untereinander oder auch zwischen Regie und Assistenz, dass die Jugendlichen sagen: ,,Ok, das macht mir Spaß, ich fühl mich wohl und ich kann mich dort auch zeigen auf der Bühne“. Die Leute bei der Stange zu behalten und die ersten drei bis vier Monate Theaterpädagogik zu machen ist eine Herausforderung. Erst dann suchen wir gemeinsam ein Stück aus. Dann wollen wir gucken, in welche Richtung es geht. Es kommt auch auf die Alterszusammensetzung an.
Stattsofa: Bevor Sie mit den Proben beginnen, steht der theaterpädagogische Prozess im Vordergrund. Was kann man sich darunter vorstellen? Wie wählen Sie die Stücke aus, die Ihre Gruppe aufführt?
Stefan Meier: Theaterpädagogik heißt ja letztendlich eine Mischung aus theatralen und pädagogischen Elementen. Erstmal geht es sehr spielerisch mit vielen Elementen, Methoden und Gruppenarbeiten. Dann beginnt es auch mit Sprache und Stimme – mal laut sein, mal schreien. Auch Mimik und Gestik im Gesicht, dann kommt das Körperliche hinzu: Wie gehe ich? Mal langsam, mal schnell, mal rennen. Wie fühle ich mich groß? Wie fühle ich mich klein. Dann auf die Bühne zu kommen und da auch eine Rolle einzunehmen, sich zu verändern und reinzuschlüpfen und dann wieder rauszugehen. All das gehört zum theaterpädagogischen Prozess hinzu.
Das sind die ersten Ansätze, die man macht. Dann schauen, wie die Leute es annehmen und wie sie damit umgehen. Dann geht es ins Stück auswählen. Ich würde dann Vorschläge machen, ein paar Stücke aussuchen, die wir gemeinsam lesen und besprechen. Anschließend fangen wir an das Stück zu inszenieren und die Rollen zu besetzen. Auch schauen wir, was man in den Stück verändern kann bspw. muss um das Stück auf die Jugendliche anzupassen. Dann kommt auch das Text lernen dazu und dafür braucht es auch Disziplin.
Stattsofa: Was sind die Voraussetzungen, um bei ,,Junges Theater“ mitspielen zu können?
Stefan Meier: Es gibt keine Voraussetzungen. Das einzige ist, dass man Spaß hat, das Miteinander mag und somit auch ein bisschen ein Teamplayer ist. Dass man Freude hat an Bewegung, auch an der Sprache – ist natürlich schön, aber nicht zwingend. Wir würden auch Jugendliche integrieren, die körperliche Einschränkungen haben. Das Theater muss inklusiv sein. Grad im Jugendbereich geht es nicht drum professionell Theater spielen. Wir spielen zum Schluss für das Publikum, aber wir spielen auch für uns selbst - es geht in erster Linie um den eigenen Reifungsprozess. Von daher muss man erstmal nichts mitbringen, außer einer gewissen Neugierde. Auch wenn es einen vielleicht am Anfang ein bisschen komisch oder suspekt vorkommt, einfach auch den Mut zu haben, sich auszuprobieren und dann aber auch zu reflektieren: ,,Wie geht es mir damit, passt es für mich, wie fühl ich mich damit?“ Da machen wir immer Reflektionsrunden und wir reden viel miteinander. Grundsätzlich kann jeder mitmachen bis auf die Alterseinschränkung – ab 13 Jahren. Nach oben hin gibt’s keine Grenze. Das letzte Mal hatten wir einen mit 27. Trotzdem war er noch so jugendlich und wurde prima in die Gruppe integriert. Also darauf kommt es an, dass man Spaß hat und sich was fürs Leben mitnimmt.
Fragen: Angelika Snetkova, Fotos: privat