„ICH WOLLTE HIMMEL“. Der Künstler Conrad Schierenberg. Ein Dokumentarfilm von Mick Locher

In einem filmischen Langzeitprojekt wird der Maler und Dichter Conrad Schierenberg (1937-2022) aus Happingen/Dachsberg porträtiert. Der Film wird am 8. und am 15. Oktober 2023 jeweils um 19:00 Uhr in den Schwarzenbergsälen in Tiengen und am 14. Oktober 19:30 im Kursaal St. Blasien aufgeführt. Stattsofa hat die Dreharbeiten begleitet. 

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Ein altes Schwarzweißfoto, die Kontraste verblasst, nachgedunkelt: Zwei Männer sitzen sich an einem Holztisch gegenüber, bäuerlich sieht die Stube aus. Der junge Mann wirkt geschäftig, der ältere betrachtet ihn geduldig.

Der Waldshuter Fotograf Axel Bauer hat die Szene 1988 festgehalten. Sie zeigt den jungen Journalisten Mick Locher im Gespräch mit dem Maler Conrad Schierenberg in dessen Haus in Happingen/Dachsberg. Im Rahmen einer Ausstellung hatten sie sich kennengelernt. Es entwickelte sich eine Freundschaft. „Seit über 40 Jahren möchte ich einen Film über Leben und Werk von Conrad Schierenberg realisieren. Erst 2022 ergab sich die Möglichkeit dazu“, berichtet der TV-Reporter und Dokumentarfilmer. Was macht die Faszination an der Person und dem Wirken des Künstlers aus? „Ich schätze die unbedingte Authentizität seiner Malerei, seine Kreativität, sprachlich und malerisch“, erläutert Mick Locher „und seine Leidenschaft für das Alemannische.“ Der Filmemacher ist hier in der Region aufgewachsen, war später beim „Alb Bote“ als Redakteur tätig, bevor er als Nachrichtenreporter beim Fernsehen seinen Lebensmittelpunkt in Hamburg und später in Berlin fand. Dennoch hält er fest: „Ich bin meiner Heimat eng verbunden geblieben und dieser Film ist ein Herzensanliegen von mir.“ Die Idee ist, den Künstler während eines Jahres zu begleiten.

Die Dreharbeiten beginnen im Winter am 17. und 18. Februar 2022. Die meisten Hügel des Hotzenwaldes sind nur noch teilweise schneebedeckt. Der junge Kameramann Patrick Kerber hat eine Drohne mitgebracht und fängt so mit wunderbarem Weitblick einen Spaziergang von Conrad Schierenberg über die Felder ein. Im Atelier wird gefilmt, während der Künstler Gedichte vorträgt. Das Team ist zufrieden mit diesen ersten Drehtagen.

Im Hinblick auf weitere Filmszenen fährt der Regisseur zum Hans-Thoma-Museum in Bernau. Der Maler hatte ihm ein biographisches Detail verraten: Ein Besuch dort war der Impulsgeber für ihn, das Malen zu lernen. Zwei Gemälde von Ziegen waren es, die den damaligen Hütebub ergriffen hatten. Und ja – beide Gemälde werden im Museum präsentiert. Erst seit kurzem sei die Ausstellung neu geordnet und die Ziegengemälde aus dem Archiv ans Licht geholt worden, berichtet die Leiterin des Museums, Margret Köpfer. Die Dreherlaubnis im Museum wird rasch erteilt.

„Die Herausforderung bei dieser Langzeitdokumentation ist die Koordination der Termine. Ich lebe in Berlin, der Kameramann im Elsass. Wir wollen das filmische Porträt im Wechsel der Jahreszeiten gestalten. Da die Drehtage lange vorausgeplant werden müssen, brauchen wir Wetterglück,“ berichtet Mick Locher.

Ein unvergessliches Bild entsteht, als Conrad Schierenberg neben dem Meiler sitzt und sein alemannisches Gedicht über die Köhler vorträgt.

Am 11. und 12. Mai hat das Filmteam dieses Glück: Es bietet sich ein Frühlingsszenario - wie gemalt. So kann Conrad Schierenberg am Ort seiner Kindheit in Menzenschwand inmitten satter, grüngelber Frühlingswiesen gefilmt werden. „Den betagten Mann zu sehen, der behände unter einem Zaun durchklettert und sich einigen grasenden Ziegen widmet, war einer der beeindruckendsten Momente der Drehtage“, erinnert sich der Filmemacher.

Für den Kameramann ist diese Arbeit etwas völlig Neues. Er ist meistens im Nachrichtengeschäft tätig. „Das ist eine andere Welt hier“, erklärt er. „Das Feilen an jeder Einstellung, der Zeitaufwand dafür ist das komplette Gegenteil von dem, wie ich sonst arbeite.“ Aber sich anzupassen sei ein wesentliches Merkmal seiner Arbeit. Er konzentriere sich ganz auf das Technische. Die Gedichte, die der Künstler spricht, höre er als Kameramann inhaltlich gar nicht. „Dafür aber einen Windstoß oder ein Flugzeug, das die Aufnahme stört!“

Aufnahmen bei der sommerlichen Lesung: Mick Locher, Patrick Kerber und Conrad Schierenberg vor dem Café Engel in Urberg. 

Über Wochen zeigt sich der Sommer heiß, trocken, auch an den Drehtagen am 5. und 6. August. Noch mehr Hitze, eine wörtliche Gluthitze, ist während der Köhlertage in Dachsberg zu spüren. Der Geruch des Rauches steigt aus dem glühenden Kohlenmeiler auf. Und ein unvergessliches Bild entsteht, als Conrad Schierenberg neben dem Meiler sitzt und sein alemannisches Gedicht über die Köhler vorträgt. Die Szene wird aus verschiedenen Perspektiven gedreht und muss mehrmals wiederholt werden. Sehr geduldig und ohne Unmut fügt sich der alte Mann den Vorstellungen des Filmteams. Darauf angesprochen meint er über den Filmemacher: „Das ist ja sein Beruf, er bestimmt… und ich gebe mir Mühe, mich leicht zu machen.“

Die Sommer-Filmaufnahmen finden an einem Nachmittag mit einer Lesung von Conrad Schierenberg im Café Engel in Urberg ihren Abschluss. Im Garten, unter den Bäumen, sind die Zuhörer in gemeinsamer Freude und Heiterkeit verbunden. Es ist ein großer Sommer.

Wenige Tage später wird eine schwere Erkrankung von Conrad Schierenberg bekannt. Weitere Aufnahmen mit ihm sind nicht mehr möglich. So kann das Drehteam im Oktober nur die Stimmung der Natur festhalten. Für den Künstler war der Herbst seine „liebste Jahreszeit“. Am 19. November verstirbt Conrad Schierenberg.

Erst 2023 beginnt die Fertigstellung des Films: Vier Stunden gedrehtes Rohmaterial werden vom Berliner Cutter Karsten Briesemeister zusammen mit dem Regisseur gesichtet, geschnitten und mit den Tonspuren montiert. Schierenbergs Sohn Lovis würdigt dabei seinen Vater musikalisch – er spielt Improvisationen am Flügel ein. Während dieser Phase der Filmentstehung ergibt sich dann auch der Titel: „Ich wollte Himmel“.

Text und Fotos: Dr. Sylvia Vetter