
Die ständige Annäherung
Ist es ein Zerrbild, das die Medien von der Kunst vermitteln? Es scheint, dass vor allem skandalumwitterte, enttabuisierende Beiträge die Gunst der medialen Aufmerksamkeit genießen. Kalkulierte Provokation, vorprogrammierte Entrüstung: Ein nicht ganz so neues Rezept, so einfach wie erprobt. Dass es auch anders geht, erfährt Stattsofa beim Atelierbesuch bei Ilse Werner.
Auch Ilse Werners Atelier ist ein Künstleratelier. Niemand soll darin Ordnung und Systematik erwarten: Staffeleien, sich ausbreitende Leinwände, Pinsel und Farbmittel. Viele Bücher. Der Gast muss aufpassen, wo er hintritt. Und dennoch verbreiten die Räume nicht so sehr den romantischen Geist einer umtriebenen Künstlerin, vielmehr herrscht darin eine wohltuende Atmosphäre der Besonnenheit. Bei einem Glas Wasser beginnen wir unser Gespräch.
Was auch ohne Erklärung ersichtlich ist: Stillleben, vor allem Gefäßbilder, sind bevorzugte Sujets der in Rickenbach-Hottingen lebenden Malerin. Überall begegnet man ihnen. Zum Trocknen auf dem Fußboden, vollendet an der Wand. Die sehr langsame Arbeitsweise, bei der die Künstlerin immer neue Farbschichten auf die Leinwand aufträgt, begünstigt die Beschränkung auf das Wesentliche. Wobei man, nach Auffassung Werners, auch das Wesentliche nie final erfasst. Kunst als ständige Annäherung.
Staffelei, Leinwände, Pinsel und Farbe: Ilse Werner in ihrem Atelier.
Besonders eindrücklich ist da das Werk „Still“, das gerade erst in der vergangenen Ausstellung „50 Jahre Kreiskunstsammlung im Dialog“ im Kulturzentrum Schloss Bonndorf gezeigt wurde. Es könnte repräsentativ für die anhaltende Suche nach dem Wesentlichen stehen. Werner, die lieber von Gefäßbildern als von Stillleben spricht, behandelt dieses Sujet seit über zehn Jahren. „Es fängt lange vorher an und geht danach weiter“, sagt Werner über die künstlerische Auseinandersetzung mit einem Thema, bei der das Malen zwar ein zentraler, aber eben nicht der einzige Teil des Prozesses ist.
Wer sich mit Ilse Werner über ihr Schaffen unterhält, merkt bald, dass sie den Entstehungsprozess ihrer Werke wie nur wenige Kollegen reflektiert. Wenn Werner dabei etwa über den „kontrollierten Zufall“ ihrer Landschaftsbilder spricht, dann scheint das Kontrollierte recht ausgeprägt. „Die Landschaften sind nicht verifizierbar“, sagt Werner zwar. Beliebig sind sie jedoch ebenso wenig. Schwer zu beschreiben: Den Bildern Werners ist eine diffuse Aura eigen, die den Betrachter einen Bedeutungshorizont selbst in den einfachsten Motiven – wie eben in einem Gefäß – vermuten lässt. „Es ist unmöglich, Leben und Werk zu trennen“, sagt Werner und scheint unsere Betrachtung zu bestätigen. Wobei Ilse Werners Bilder stets einen letzten Rest bewahren, der sich nicht entschlüsseln lässt.
Das Werk "Still" (links) neben einem unbetitelten Stillleben von Pavel Feinstein in der Ausstellung "50 Jahre Kreiskunstsammlung im Dialog" im Kulturzentrum Schloss Bonndorf.
Ab dem 12. November 2023 stellt Ilse Werner gemeinsam mit Bettina Bohn in der Kulturfabrik in Schopfheim aus. Auch diese „InnenRäumeAußen“ betitelte Ausstellung wird wohl eher nicht die öffentlichen Gemüter erhitzen. Hingegen hat sie das Potenzial, unsere Gemüter auf das Wesentliche zu eichen. Mögen wir uns erfreuen: an der Klarheit, an dem Unerklärlichem.
Text und Fotos: Eduardo Hilpert

Ilse Werner
Künstlerin