Christoph Keller

"Schreiben mit Licht: Die Bilder zu den Büchern 2008-2021" in der Stadtscheuer Waldshut

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 "Fotografie ist etwas Magisches"

Der Schweizer Autor Christoph Keller (1963) wurde letzten Sommer mit dem Alemannischen Literaturpreis 2020 ausgezeichnet. Auf die Preisverleihung musste er coronabedingt lange warten. Am Sonntag, 11. Juli, um 12 Uhr ist es endlich soweit: Waldshut-Tiengens Oberbürgermeister Dr. Philipp Frank überreicht dem Schriftsteller im Langensteinstadion Tiengen den Alemannischen Literaturpreis für seinen Roman Der Boden unter den Füssen (Limmat Verlag, 2019). Am Tag vor der Preisverleihung, Samstag, 10. Juli, um 15 Uhr liest Christoph Keller auf der Langensteinstadion-Bühne aus seinem Werk. Im Rahmen der Preisverleihung ist in der Stadtscheuer Waldshut seine Ausstellung „Schreiben mit Licht: Die Bilder zu den Büchern 2008-2021“ ausgestellt.

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Stattsofa: Sie sind ein erfolgreicher Schweizer Autor und sagen von sich, Sie seien kein Fotograf. Warum hat Sie das Schreiben zum Fotografieren gebracht?

Christoph Keller: Erst war für mich die Kamera, vor allem dann die digitale, ein visuelles Notizbuch. Das Erzählen mit Bildern hat mich immer mehr interessiert. Und dann eben die Kombination: Wie kann ein Bild einen Text weitererzählen, wie eine Geschichte auf ein Foto reagieren? Das alles hat für mich durchaus etwas Alchemistisches: Wie reagieren bestimmte Elemente, auch schon publizierte, in Neuanordnungen, aufeinander? Gibt’s Gold?

Stattsofa: Ihre Fotos wirken oft wie geschriebene Geschichten – welche Verbindung sehen Sie zwischen dem geschriebenen Wort in Ihren Büchern und Ihren Fotografien, die teils wie Collagen wirken?

Christoph Keller: Eine Fotografie ist die Funktion von Licht und Zeit – und muss, für mich, etwas Magisches (also durchaus Alchemistisches) ergeben. Eben etwas in Bewegung setzen. Ein Foto ist zwar etwas Statisches, weil es nur einen Einblick gewährt, stillsteht – ein Standbild, a still – ist, und doch ist ein gelungenes Foto Bewegung: das eingefangene Mienenspiel in einem Gesicht, ein Schatten, den es weiterzieht, rote Stiefel, die sich auf die Betrachterin zubewegen. Das alles setzt wie ein gelungener erster Satz eine Geschichte in Bewegung. Die Zeit nämlich, in der ein Foto entsteht, und ist es nur der Bruchteil einer Sekunde, ist nicht null, ist der Anfang einer Geschichte.

Stattsofa: Wann machen Sie Fotos? Eher spontan oder gehen Sie geplant mit einem Ziel mit der Kamera/Smartphone aus dem Haus?

Christoph Keller: Selten geplant. Das kann klappen, aber lieber ist mir, wenn meine Gedanken anderswo sind, wenn ich aus einem anderen Grund unterwegs bin. Und plötzlich etwas aufscheint, in der Reflektion in einem Fenster, einer Wasserspiegelung, einem Schattenspiel, das mich innehalten lässt. Das ist das Schöne am Spontanen: Es verlangsamt dich aus einem unerfindlichen Grund. Deshalb auch meine Schutzbehauptung, kein Fotograf zu sein: Wenn ich schreibe, dann ist das eine Abmachung mit mir. Dann will ich nach einem Arbeitstag gute Resultate. Bin ich aber absichtslos unterwegs, bin ich auch nicht enttäuscht, wenn ich „leer“ nach Hause komme. Außerdem ist das befreite Denken ohnehin das produktivste.

Die Ausstellung in der Stadtscheuer

Stattsofa: Die Fotoausstellung findet im Rahmen der Verleihung für den Alemannischen Literaturpreises 2020 statt, für den Sie für Ihr Werk „Der Boden unter den Füssen“ (2019) ausgezeichnet wurden und auf den Sie coronabedingt lange warten mussten. Konnten Sie trotz oder vielleicht auch wegen des Lockdowns künstlerisch schaffen? Was sind Ihre Pläne für die Zeit nach der Corona-Pandemie?

Christoph Keller: Ausgerechnet in „Der Boden unter den Füssen“ hat es keine Fotos ... Künstlerisch war die Coronazeit wohl einer meiner fruchtbarsten. Wir sind auch etwas privilegiert, haben Zugang zu einem schönen Garten, in dem und dank dem so viel so fokussiert hat entstehen können. Aber ich glaube nicht, dass es wirklich eine Zeit „nach Corona“ geben wird. Vielmehr eine „mit Corona“. Nun leben wir ja schon wieder eine ähnliche Unvernunft wie im vergangenen Sommer. Es wird auf Teufel komm raus gelockert, weil u.a. die Reiseindustrie Druck macht und wir uns erfolgreich eingeredet haben, dass wir unbedingt wieder an einem Strand liegen müssen (einer, der auf keinem Fall am Bodensee ist), also kommt die vierte Welle so Mitte August. Die Rechnung lautet „Unvernunft“ + „doppelt geimpft“ = „Wir schaffen das schon irgendwie.“ Meine Pläne? Leben. Fokussierter, weniger ist mehr.

Stattsofa: Und was ist Ihr aktueller Buchtipp?

Christoph Keller: Mein aktueller Buchtipp ist Sister Outsider der afroamerikanischen Lyrikerin, Essayistin und Aktivistin Audre Lorde. Obwohl schon vier Jahrzehnte alt – und eben erstmals auf Deutsch erschienen –, ist es brandaktuelle Pflichtlektüre.

 

Die Ausstellung „Schreiben mit Licht: Die Bilder zu den Büchern“ von Christoph Keller ist bis Sonntag, 18. Juli, in der Stadtscheuer Waldshut zu sehen.

Öffnungszeiten: Mi-So, 15-18 Uhr, freier Eintritt

 

Layla Nieden

Autorin

Layla Nieden ist Mitarbeiterin im Kulturamt der Großen Kreisstadt Waldshut-Tiengen.