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Er mit dem Pinsel, wir mit der Lupe

Jindra Čapek ist einer der bekanntesten Vertreter der tschechischen Zeichenkunst. Das Kulturzentrum Schloss Bonndorf zeigt noch bis zum 6. November 2022 seine schönsten Illustrationen. Vor allem Märchenwelten scheinen in Čapek einen zweiten Schöpfer gefunden zu haben. Wer sich von seiner feinen Pinselführung und Detailversessenheit überzeugen möchte, kann sich mit den bereitgestellten Lupen behelfen. Stattsofa wollte mehr über seinen Beruf erfahren.

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Stattsofa: Sie sind einer der bekanntesten europäischen Illustratoren. Wie können wir uns die Zusammenarbeit mit den Schriftstellern vorstellen? Ist jeder für seinen Teil verantwortlich oder folgen Sie Anweisungen?

Jindra Čapek: Am besten ist es immer, wenn der Autor nicht mitredet. Sonst geht man zu viele Kompromisse ein, und es entstehen mittelmäßige Dinge.

Stattsofa: Unter allen Autorinnen und Autoren, deren Geschichten Sie bebildert haben, sticht natürlich Michel Ende hervor. Wie kamen Sie dazu, „Lenchens Geheimnis“ zu illustrieren?

Jindra Čapek: Ich hatte schon drei Bücher für den Thienemann Verlag illustriert, da bekam ich einen Anruf. Der Verlag fragte, ob ich in einem Monat ein Buch illustrieren könne. Ich hatte schon andere Arbeit und das ist eigentlich eine viel zu kurze Zeitspanne. Ich fragte, um was für ein Buch es sich handele. Sie antworteten, das würden sie mir erzählen, sobald ich zusagte… Ich sagte zu und es war „Lenchens Geheimnis“ von Michael Ende. Ich arbeitete einen Monat lang ununterbrochen von sieben in der Früh bis abends um elf. Michael Ende haben die Illustrationen gefallen, das Buch wurde in 20 Sprachen übersetzt.

"Es ist besser, wenn der Autor nicht mitredet." Jindra Čapek beim Gespräch mit Stattsofa.

Stattsofa: Im Kulturzentrum Bonndorf zeigen Sie unter vielen anderem auch Skizzen und fertige Illustrationen zu einer Neuausgabe von „Pinocchio“, die gerade in Tschechien erscheint. Welche Herausforderungen liegen darin, einen Klassiker zu illustrieren?

Jindra Čapek: Das sind Angebote, die man nicht ablehnen kann... Es ist zwar immer schwieriger ein Buch zu illustrieren, das schon einmal illustriert worden war – andererseits sind neunzig Prozent der Ausgaben kitschig und oberflächlich illustriert. Natürlich gibt es Ausnahmen: Die Illustrationen zu Pinocchio etwa von Roberto Inocenti sind sehr gut, und man muss aufpassen, dass man sich nicht zu sehr davon inspirieren lässt. Eine Hilfe kann es sein, bei Szenerie und Kostümen den historischen Rahmen der Handlung vorzuziehen oder nach hinten zu verschieben.

Fragen und Fotos: Eduardo Hilpert