Die aufständischen Bauern, Vorboten der Demokratie
Gemeinsam mit der Stadt Stühlingen veranstaltet der Schwarzwaldverein die Gedenktage zu „500 Jahre Bauernkrieg“. Stattsofa hat mit Jutta Binner-Schwarz, Vorsitzende für Heimatpflege und Kultur, gesprochen.
Stattsofa: Das Programm der Gedenktage zum Bauernkrieg ist äußerst umfangreich. Ist das nun ein Zeichen dafür, dass die Erinnerung an die Ereignisse heute sehr präsent ist, oder eher dafür, dass wir uns die Bedeutung des Bauernkrieges erst wieder in Erinnerung rufen müssen?
Jutta Binner-Schwarz: Historisch Interessierte wissen um die enge Beziehung der Stühlinger Geschichte mit dem Bauernkrieg. Schließlich wurde hier der Funke des „Uffruhr“ gezündet, der sich später zum überregionalen Flächenbrand entwickelte. Viele Einheimische kennen die Geschichte von den „Schneckenhüsli“, die die Bauern angeblich während der Erntezeit für Gräfin Clementia von Lupfen sammeln mussten. Das Gedenkjahr bietet die Möglichkeit, die historischen Ereignisse genauer zu beleuchten und ihre Bedeutung breiter bekannt zu machen.
Stattsofa: Der Schwarzwaldverein beteiligt sich mit zwei Ausstellungen an den Gedenktagen. Momentan wehen im Stadtgebiet schon die Fahnen zum Bauernkrieg, die von zwölf Künstlerinnen und Künstlern gestaltet wurden. In der ersten Ausstellung „Mittelalterliche Gartenmagie trifft auf zeitgenössische Kunst“ (14. bis 23. Juni 2024) setzen Sie sich noch intensiver mit den Arbeiten dieser Künstler auseinander. Wie kam die Idee, dem Bauernkrieg künstlerisch zu begegnen?
Jutta Binner-Schwarz: Wir begreifen die Fahnen als epochenübergreifendes Kommunikationsmittel. Die aufständischen Bauern führten bereits Fahnen mit sich, deren Symbolkraft bis heute ungebrochen ist. Die zwölf für unser Projekt gestalteten Exemplare erzählen vom Mut unserer Vorfahren, sich gegen die Obrigkeit und somit gegen ein festgefügtes Weltbild zu erheben, um für bessere Lebensverhältnisse und das Recht auf Mitbestimmung zu kämpfen. Interessant war für uns die Frage, wie Künstlerinnen und Künstler heute mit dem Thema Bauernkrieg umgehen. Mit welchen Mitteln interpretieren sie die Ereignisse? Welche Intentionen bewegen sie? Wo setzen sie Schwerpunkte? Für alle war die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Bauernkrieg ein spannendes Feld.
Die Ausstellung ihrer aktuellen Bilder und Skulpturen in der Schür ist ein Dankeschön für ihre intensive Beschäftigung mit dem historischen Thema.
Stattsofa: Die für Oktober geplante Ausstellung haben Sie „Schneckenhüsli? Auf den Spuren des Bauernkrieges“ betitelt. Was erwartet die Besucher?
Jutta Binner-Schwarz: Inhaltlich werden wir uns mit den Lebensbedingungen der Bauern vor dem Ausbruch des Bauernkrieges auseinandersetzen. Hier finden wir die Gründe für die Erhebung. Anhand von historischen Personen wollen wir diese deutlich machen. Kraftvolle Zeichnungen von Elmar Zimmermann werden bei der Veranschaulichung, auch der Chronologie, helfen. Da nur wenige 500 Jahre alte Exponate für uns zugänglich sind, setzen wir auf Inszenierung. Bei der Ausstattung unterstützt uns maßgeblich die Historische Hans Müller Gruppe Bulgenbach.
Stattsofa: Der Schwarzwaldverein ist bekannt dafür, in seinen Ausstellungen die Bevölkerung einzubeziehen. Wie werden Sie die Bürgerinnen und Bürger animieren, an den Gedenktagen teilzuhaben?
Jutta Binner-Schwarz: Schon jetzt werden vor allem von Schulkindern mit Begeisterung Schneckenhäuschen für eine Installation gesammelt. Außerdem hoffen wir auf Erinnerungsstücke, die sich auf die drei Stühlinger Festspielaufführungen zum Bauernkrieg beziehen. Vorträge von Dr. Andreas Mahler beleuchten das Thema, Ausstellungswanderungen führen zu historischen Orten, spezielle Kinderangebote warten auf den Nachwuchs. Jetzt im Juni lockt der blühende Schürgarten vom 14. – 23. Juni mit Führungen und vielen Informationen zum Leben im Mittelalter.
Stattsofa: Die Bauern konnten ihre Forderungen letztlich nicht durchsetzen und wurden militärisch geschlagen. Kann man den Bauernkrieg dennoch als demokratischen Erinnerungsort deuten, etwa in einer Abfolge mit der 1848er Revolution und der Weimarer Republik?
Jutta Binner-Schwarz: Auf jeden Fall! Die Erhebung der Bauern 1524/25 fand weitgehend in einem rechtsfreien Raum statt. Durch ihren mutigen Protest setzten sie ihre Existenz und ihr Leben aufs Spiel. Trotzdem rüttelten sie an festgefügten Hierarchien und brachten durch ihr Aufbegehren das damalige Weltbild zumindest kurzzeitig ins Wanken. Die Bauern begriffen sich zwar als Untertanen, waren aber nicht mehr bereit, alle Befehle der Herrschaft hinzunehmen. Sie schlossen sich zusammen, protestierten gegen weitere Ansprüche und Einschränkungen. Obwohl der Aufstand an sich scheiterte, zeigten die Bauern, dass die Zeiten des absoluten Gehorsams vorbei waren. Ihr Kampf gegen die zunehmenden Forderungen der Obrigkeit und für Mitbestimmung ebnete späteren Generationen und somit auch uns den Weg in die Demokratie.
Fragen: Eduardo Hilpert; Fotos: Schwarzwaldverein Stühlingen.