Ein Abend mit Elke Heidenreich
Deutschlands bekannteste und wohl auch einflussreichste Literaturpäpstin war auf Einladung des Kreiskulturamtes in den Landkreis gekommen
„Es hat mir gutgetan, hier zu sein“
Nahbar, souverän, humorvoll, wortreich und als eine hervorragende Leserin ihrer eigenen Geschichten - so erlebten die Zuhörer Elke Heidenreich am Samstag (3.Juli) in der Klosterschür Oftringen. Schlechtes Wetter und zu wenig Platz für die vielen Interessenten machten es erforderlich, dass die Lesung von Schloss Bonndorf nach Oftringen verlegt werden musste (Danke an den Kulturring Wutöschingen für die Gastfreundschaft!). Elke Heidenreich las aus ihrem neuen Erzählband „Männer in Kamelhaarmänteln“. Mit ihrem scharfen und zugleich liebevollen Blick auf Menschen und ihrer Kleider webt die Autorin unterhaltsame Geschichten: Kariert, lilafarben, bequem, mit Mottenlöchern - so wie der Stoff des Lebens eben ist. Kulturreferentin Susanna Heim hatte Gelegenheit, Elke Heidenreich bei Wein und Wurstsalat noch ein paar Fragen zu stellen.
Stattsofa: Frau Heidenreich Sie sind zu uns aufs Land gekommen. Natur haben wir viel, warum braucht es hier auch ein kulturelles Angebot?
Kultur ist das Wichtigste, was wir haben. Die Menschen haben den Acker bearbeitet, der uns ernährt. Und so nährt Kultur auch unseren Geist und unsere Seele mit Musik, Bildern und Geschichten. Ohne das wären wir arme, kleine Würstchen. Das brauchen wir alle, egal ob in den Städten oder wie hier in der Provinz. Ich mache keinen Unterschied zwischen Berlin und Waldshut. Es hat sich gelohnt, dass ich die weite Reise zu euch in den Süden gemacht habe. Es war ein schöner Abend. Nicht nur, dass vor meinem Hotelzimmer in Eggingen schottische Hochlandrinder grasen, sondern natürlich auch wegen der Leute, die heute zugehört haben - da war solch eine Freude spürbar. Das Lachen, das Klatschen, die Stille, wenn es mal was ernst wurde. Diese Resonanz ist für Jemanden, der schreibt, ganz wichtig. Schreiben ist eine einsame Angelegenheit. Anderthalb Jahre hatte ich keine Reaktion auf meine Arbeit und heute Abend hatte ich das endlich wieder. Es war wunderbar und es hat mir gutgetan, hier zu sein.
Stattsofa: Die meisten Leute erwarten von Ihnen Büchertipps. Können Sie uns auch einen geben. Was ist eine passende Sommerferienlektüre?
Ich empfehle „Fremde Freunde“ vom Schweizer Autor Max Küng (beim Verlag Kein & Aber erschienen). Das Buch ist wunderschön eingebunden in rot-weißes Leinen und passt perfekt an den Pool. Es handelt von Menschen, die miteinander in Urlaub fahren, obwohl sie keine engen Freunde sind. Das geht natürlich total schief. Bissig und lustig. Ein echter Spaß zu lesen.
Stattsofa: Gibt es auch ein Landleben-Buch, das Sie empfehlen können?
„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens hat mir sehr gut gefallen. Gerade habe ich auch das Buch von Ina Westmann gelesen. Es heisst „Heute beißen die Fische nicht“. Das ist ein Buch über eine etwas angeschlagene Familie, die in Finnland Urlaub macht. Die Frau ist Kriegsreporterin und kommt von ihren Erlebnissen nicht los. Sie versucht, in dieser ruhigen Natur zu sich selbst zu finden und ihre Ehe zu retten. Ein sehr schönes Buch.
Stattsofa: In der Pandemiezeit haben wir alle ja viele Serien und Filme geschaut. Was können Bücher, was Netflix und Co. nicht kann?
Natürlich habe ich auch Filme und Serien auf Netflix geschaut. Aber das Alleinsein mit dem Buch ist ein anderer Genuss. Lesen bedeutet, dass die Bilder in meinem Kopf entstehen müssen. Der Idealzustand für mich ist: ein Sessel, eine Leselampe, ein Glas Wein und ein Buch. Und wenn das Buch mich dann reinzieht mit einer Geschichte, die mir guttut, die mir etwas über die Welt erzählt, in der ich lebe oder über mich, dann ist das ein Glück.
Autorin: Susanna Heim