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Kunst als Bindeglied: Religion und Weltlichkeit

Ein Vorab-Interview mit dem Waldshut-Tiengener Künstler Wolfgang Tartsch zu seiner Doppelausstellung: „Menschenblick!“ Ein Künstler, zwei Gesichter, drei Dimensionen (14. September - 13. Oktober 2024) in der Stadtscheuer Waldshut und der Evangelischen Versöhnungskirche.

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Stattsofa: Die Kreuzigung. Eine Pietà. Und dann wieder: Flüchtlinge. Bettler. Sportfans. Gummibärchen – Sie widmen sich in Ihrer Kunst einerseits tief religiösen Themen. Andererseits behandeln Ihre Werke vielseitige weltliche Themen. Können Sie uns die zwei Gesichter Ihrer Kunst näher erläutern?

Wolfgang Tartsch: Für mich liegen die raue Wirklichkeit und Spirituelles so dicht beieinander, dass sie sich gegenseitig nicht entbehren können. Ich glaube nämlich nicht, dass die Menschheit in der Lage ist, nur mit dem Glauben an sich selbst ihre Probleme zu lösen. Sie braucht dazu eine höhere Macht, deren Begrenzungsangebote, Gesetze und Regeln. Sie braucht einen Gott, daher gibt es für mich keine zwei Gesichter. Um das zu dokumentieren, bearbeite ich dieses Thema auf meine Weise.

Stattsofa: Sie folgen den Spuren der Menschen und erzählen mit Ihren Werken deren ganz unterschiedliche Geschichten. Was fasziniert Sie dabei?

Wolfgang Tartsch: Das Verhalten der Menschen ist manchmal so irrational und verrückt, dass es für mich hochinteressant erscheint die Hintergründe ihres Verhaltens zu erkunden und sie auf meine Art zu illustrieren.

Stattsofa: Beim längeren Betrachten und in der Auseinandersetzung mit Ihren Werken lassen sich tiefgründige und zum Teil versteckte ironische Botschaften finden – was möchten Sie mit ihrer Kunst aussagen?

Wolfgang Tartsch: Die Botschaften, die Sie ansprechen, sind nichts weiter als die Ergebnisse der Verarbeitung meiner Erkenntnisse. Meine Arbeiten illustrieren nur meine Gedanken. Da Ironie auch zu einer probaten Ausdrucksform gehört, kann es schon mal vorkommen, dass manches etwas schräg rüberkommt. Meine Arbeiten brauchen nicht zu dekorieren.

Wolfgang Tartsch: "Wirklichkeit und Spirituelles können sich nicht entbehren."

Stattsofa: Die Zahl Drei hat für Sie eine wichtige Bedeutung: Sie haben einige Tryptichone erstellt, die Zahl Drei lässt sich auf unterschiedliche Weise in Ihren Werken finden und ihre Kunst ist dreidimensional. Was für eine Bedeutung hat die Zahl Drei für Sie?

Wolfgang Tartsch: Da sind zum Beispiel die von Ihnen angesprochenen drei Dimensionen oder Farbträger, Farbe, Idee oder Vordergrund, Mittelteil, Hintergrund. Der Stuhl, auf dem Sie sitzen, muss mindestens drei Beine haben, um stabil zu stehen. Oder denken Sie an die Fibonaccischnecke 3. 6. 9. den goldenen Schnitt usw. Beim Betrachten meiner Arbeiten stößt man deshalb auch immer wieder auf drei Dinge: „Gummibärchen“ stehen für die schweigende Gesellschaft, „Coca-Cola“ für Gewinnsucht, Kapital, „Die Zahl Drei“, die Philosophie nach der ich meine Arbeiten, aber auch mein Leben ausrichte. Es erstaunt mich immer wieder, welche Zusammenhänge sich auch im täglichen Leben mit der Zahl „3“. ergeben. Für mich ein ganz wichtiges Thema.

Stattsofa: Sie erschaffen vielfältige Kunst: Gemälde, Skizzen, Skulpturen, Grafiken mit ganz unterschiedlicher Technik, Materialien und Werkzeugen. Warum haben Sie sich nicht auf eine Technik/Material festgelegt?

Wolfgang Tartsch: Kunst stellt sich mir als zeit- und raumübergreifenden Organismus dar. Teil dieses Organismus ist jede Kunstform, also bildgebende, schreibende, darstellende, tongebende usw. Sie darf Arten überschreitend sein und keinerlei Beschränkungen, solange sie nicht moralische, ethnische oder kulturelle Tabus verletzt, unterliegen.  Bei der Herstellung von Kunstwerken darf improvisiert und experimentiert werden. Da ich das Entwickeln neuer Stilrichtungen für endlich halte, versuche ich mit dem was schon vorhanden ist für mich neue Horizonte zu bearbeiten.

Wolfgang Tartsch: "Kunst stellt sich mir als zeit- und raumübergreifenden Organismus dar. "

Stattsofa: Ihre Werke mit religiösem Bezug sind in der evangelischen Versöhnungskirche in Waldshut zu sehen – einige Kunstwerke mit weltlichen Themen sind in der Stadtscheuer Waldshut ausgestellt. Auf was können sich die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung besonders freuen?

Wolfgang Tartsch: Da jeder Mensch anders interpretiert und assoziiert und es beim Betrachten eines Werkes die Entscheidung, ob es gefällt oder nicht auf Stimmungen und Befindlichkeiten ankommt, kann ich nicht sagen, auf was er sich explizit freuen kann. Ich kann Ihnen aber sagen, über was ich mich bei der Zusammenstellung dieser für mich ganz besonderen Ausstellung gefreut habe.

Da ist dieser ganz besondere Reiz und die Anforderung, zwei so verschiedene Ausstellungslokale mit Arbeiten zu bestücken, deren Aufgabe es ist, weltliches und christliches, themenübergreifend und in Wahrung aller Interpretationsfreiheit zusammenfassend darzustellen zu dürfen.

Dafür bedanke ich mich.

Das Interview hat Layla Nieden, Mitarbeiterin des Kulturamts der Stadt Waldshut-Tiengen, geführt.

Gesprächsrunde mit Wolfgang Tartsch: „Über Kunst und die Welt“

Die Gesprächsrunde „Über Kunst und die Welt“ mit dem Künstler Wolfgang Tartsch lädt zum Austausch unter Kunstinteressierten ein. Mittwoch, 25. September, 19 Uhr, Versöhnungskirche Waldshut; Eintritt frei

Veranstalter: Ev. Versöhnungskirche Waldshut und Kulturamt der Stadt Waldshut-Tiengen

Wolfgang Tartsch

Künstler

www.wolfgangtartsch.com